Projekt FINKA: „Interessante Sachen bringen einen weiter“

09.06.2021 ǀ Jan Wiertzema und Hartmut Brasch wollen dazulernen.
Weyhe (ine). „Ich bin ein leidenschaftlicher Bauer“, sagt Jan Wiertzema. Der 44-Jährige, der auf den Hof seiner Frau heiratete, bewirtschaftet 120 Hektar und baut darauf Mais, Weizen, Raps und Roggen an. „Wir bemühen uns, das ordentlich zu machen“, erklärt der Landwirt, der seinen Master in Agrarwissenschaften an der Universität Göttingen erworben hat. Der konventionell arbeitende Landwirt macht jetzt gemeinsame Sache mit seinem Flurstücknachbarn Hartmut Brasch: Zusammen sind sie am Projekt FINKA beteiligt, einem Verbundprojekt im Bundesprogramm Biologische Vielfalt. FINKA steht für „Förderung von Insekten im Ackerbau“.

Warum sie beide mitmischen? Jan Wiertzema ist von einem Biologen angesprochen worden, den er auf einer Tagung kennengelernt hatte und der wusste, „dass ich ein Bauer bin, der gerne neue Wege geht.“ Hartmut Brasch sieht den Strukturwandel eher in der konventionellen Landwirtschaft. „Die haben gesehen, dass das Andere auch funktioniert.“ Das Andere – das ist das, was Hartmut Brasch seit den späten 1980er Jahren macht. Seitdem bewirtschaftet er seine 50 Hektar Ackerland nach Bioland-Kriterien, baut Dinkel, Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Bohnen und Erbsen und betreibt einen heute immer seltener werdenden Gemischtbetrieb mit Schweinen, Geflügel und einer Mutterkuhherde. „Außerdem passen wir standort-technisch gut zusammen“, sagt Hartmut Brasch über die Zusammenarbeit mit Jan Wiertzema. Beide haben für den FINKA-Start Roggen als Wintergetreide angebaut. Für Jan Wiertzema ist es das erste Mal überhaupt, dass er Roggen ernten wird. Der wächst jetzt auf 2,3 Hektar vor den Toren Bremens – einen Hektar bearbeitet er konventionell, die anderen 1,3 Hektar zu FINKA-Bedingungen. Das heißt, er darf zwar düngen und Fungizide nutzen, aber keine Herbizide und Insektizide einsetzen. Als nächste Vergleichskultur baut Jan Wiertzema Raps an, Hartmut Brasch hingegen weiße Lupinen. „Wie das ohne Pflanzenschutz im Raps gehen soll, weiß ich noch nicht“, sagt der konventionelle Landwirt. „Eigentlich muss am Ende dabei herauskommen, dass es nicht funktioniert. Ich rechne da nicht mit einer großen Ernte.“ Auch Hartmut Brasch ist skeptisch: „Raps ist schon schwierig.“ Die weiße Lupine hingegen lasse sich unter Bio-Bedingungen gut pflegen: „Das ist ein hochwertiges Nahrungsmittel für den Menschen. Die weiße Lupine enthält zu knapp 40 Prozent Eiweiß“, erläutert der 60-Jährige, der sich nach einer konventionellen Ausbildung und seinem Meisterkurs ganz bewusst dazu entschieden hatte, künftig nach Bioland-Kriterien zu wirtschaften. „Ich stand vor der Wahl: Machen wir dicht oder etwas Anderes?“, sagt Hartmut Brasch. Er entschied sich fürs Weitermachen: „Ich muss meinen Roggen nicht am 1. Oktober drin haben. Wir haben eben eine ganz andere Kulturführung und eine ganz andere Erwartung, was die Erträge angeht. Das lässt sich gar nicht miteinander vergleichen“, sagt Hartmut Brasch. Auch für Jan Wiertzema ist der maximale Ertrag nicht das alles Entscheidende. „Ich gehe Kompromisse ein und will so wenig spritzen wie möglich“, sagt der 44-Jährige. Durch das Projekt FINKA will er die mechanische Unkrautbekämpfung kennenlernen. „Damit habe ich bislang überhaupt keine Erfahrung. Und etwas Neues kennenzulernen, kann nie schaden“, erklärt Jan Wiertzema seine Motivation zum Mitmachen. „Ich finde das einfach interessant. Und interessante Sachen bringen einen immer weiter“, begründet Hartmut Brasch, warum er beim Projekt FINKA mitmacht. Sein Pendant hofft auf neue Erkenntnisse und ist auch bereit, die Intensität des Ackerbaus zu ändern. Aber: „Das Betriebsergebnis muss gleich bleiben“, sagt Jan Wiertzema. Er guckt gerne über den Tellerrand, hat beim „Brückenbauer“-Projekt der Ländlichen Erwachsenenbildung (LEB) mitgemacht oder ist schon als Referent auf Tagungen aktiv gewesen. Neben dem Ackerbau verkauft die Familie Meyer-Wiertzema Weihnachtsbäume und betreibt gemeinsam mit zwei anderen Landwirte eine Biogasanlage in Weyhe. Auch dabei ist Nicht „Höher, schneller, weiter“ das Motto. „Hinter der Biogasanlage steht ein richtiges Wärmekonzept.“ Er habe 20 Prozent Mais in der Fruchtfolge und kaufe lieber noch von anderen Landwirten für die Biogasanlage zu. Auch in ein Rennen um hohe Pachten sei er nie gegangen, sagt Jan Wiertzema. „Mir ist es lieber im Ort ein anständiges Ansehen zu haben. Die Wirtschaftlichkeit der hohen Pachten erschließt sich mir nicht.“

Ins Nachdenken zu kommen, neue Formen der Bodenbearbeitung auszuprobieren: Genau das bezweckt das Projekt FINKA im Bundesprogramm Biologische Vielfalt, das Lösungsstrategien zur Förderung von Insekten in der Agrarlandschaft erarbeiten soll. In ganz Niedersachsen machen 30 konventionell und 30 ökologisch wirtschaftende Betriebe mit und sind dazu Partnerschaften eingegangen. Der konventionell arbeitende Betrieb verzichtet dabei auf einer Versuchsfläche von ein bis drei Hektar auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gegen Insekten (Insektizide) und Unkräuter (Herbizide) und bewirtschaftet eine Vergleichsfläche in gewohnter Manier konventionell. Der ökologische Partnerbetrieb wiederum legt eine Fläche ähnlicher Größe und mit vergleichbaren Standortbedingungen an. Seinen Partnerbetrieb unterstützt er mit einem fachlichen Aus-tausch und der nötigen Hack- und Striegeltechnik. Verbundpartner im Projekt FINKA sind die Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen GmbH, das Netzwerk Ackerbau Niedersachsen e.V., das Landvolk Niedersachsen e.V. sowie das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig, Bonn (ZFMK) und die Georg-August-Universität Göttingen. Das Projekt FINKA wird gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz mit Mitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz. Das Projekt läuft bis Ende 2025.

Landvolk Niedersachsen Kreisverband Mittelweser e.V., Regine Suling-Williges